Rede zum Haushaltsentwurf 2024

Meine  sehr geehrten Damen und Herren,

„Nachhaltigkeit bedeutet, die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden!“ So definierte eine UN-Kommission in den 1980er Jahren den Nachhaltigkeitsbegriff. Die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen wird immer schwerer, wenn unsere Gegenwart durch eine Krise nach der anderen erschüttert wird. Das dritte Jahr in Folge agiert dieser Rat inzwischen im Krisenmodus. Es hat den Anschein, als werde der Normalzustand zu etwas Besonderem und die Krisen zum Regelzustand. Und das hinterlässt bekanntlich Spuren im Haushalt: Ein Defizit von knapp 17 Mio. EUR! Das sind gut 5 Prozent des Haushaltsvolumens.

Seit Jahrzehnten kämpfen wir hier im Rat mit der Unterfinanzierung unserer städtischen Finanzen. Und in einer Bewertung sind wir uns über alle Parteigrenzen hinweg einig: Die Städte und Gemeinden brauchen eine auskömmlichere Finanzausstattung! 

„Erkämpfen wir den Kommunen den Handlungsspielraum zurück“, war daher die klare Ansage eines Antrags, den unser grüner Kreisverband gemeinsam mit vielen anderen Kreisverbänden aus dem Ruhrgebiet in diesem Jahr auf zwei grünen Parteitagen gestellt hat. Beide Parteitage haben diese Anträge angenommen und damit die Dringlichkeit gegenüber den Regierungen in Düsseldorf und Berlin unterstrichen, den Kommunen mit einem Altschuldenfonds zu helfen. Dass von unserer schwarz-grünen Landesregierung in diesem Jahr ein konkreter Vorschlag vorgelegt wurde, spendet Hoffnung. Dass dieser Vorschlag nicht ausreicht, hat der Rat ebenfalls geschlossen deutlich gemacht.


„Wir können nicht wie der arme Lazarus am Fuße der Tafel ausharren und auf die wenigen Brocken Brot warten, die vielleicht einmal herunter fallen.“

– Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender

Meine Fraktion wirbt aber dafür, nicht in Fatalismus und Resignation zu verfallen. Wir können nicht wie der arme Lazarus am Fuße der Tafel ausharren und auf die wenigen Brocken Brot warten, die vielleicht einmal herunter fallen. Wenn wir in unserer Not nur auf Bund und Land zeigen, berauben wir uns selbst unserer eigenen Handlungsfähigkeit. Beides ist richtig: Für auskömmliche Kommunalfinanzen kämpfen, aber gleichzeitig selbstverantwortlich handeln. 

„Die Bedürfnisse der Gegenwart zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden“. Das war die Definition von Nachhaltigkeit. Wie sich die Bedürfnisse der Gegenwart gestalten, da gibt es unterschiedliche Auffassungen in diesem Rat. Die Mehrheit des Rates will – trotz unausgeglichenem Haushalt – an großen, kostspieligen Projekten festhalten: 

Dem Autobahnbau.  Der Abholzung und der Entsorgung der großen Steinhalde.  Der Internationalen Gartenausstellung. 

Wir bewerten die Bedürfnisse anders: Wir müssen uns um die vorhandenen Baustellen kümmern: 

Abgeräumte Spielplätze. Vernachlässigte Grünflächen. Kaputte Straßen und Brücken. Sanierungsbedürftige Schulen und Kindergärten. 

Ich habe noch keinen Bürger sagen gehört, „wir brauchen eine große Rutsche von der Mottbruchhalde“. Ich habe auch noch keinen Bürger gehört, der gesagt hat, „wir brauchen ein großes Farbspiel am Windrad“. 

Ich habe aber schon oft die Frage gehört, warum die Spielgeräte auf dem Spielplatz fehlen? Warum seit über einem Jahr ein Bauzaun am Nordpark steht? Warum die Brunnen – z.B. am Jovypark – nicht funktionieren? Warum die Obergeschosse am Riesener gesperrt sind? 

Das sind aus unserer Sicht die Bedürfnisse der Gegenwart. Wir GRÜNE wollen unsere vorhandene Infrastruktur erhalten, bevor wir neues hinzubauen. Hierfür wollen wir das Personal und die Finanzen einsetzen.

Für die Internationale Gartenausstellung wurden zwei Stellen geschaffen. Der Leiter der Grünflächenabteilung wurde in die Projektgruppe zur IGA abgezogen. Und gleichzeitig hieß es, man komme bei der Sanierung der Spielplätze nicht nach, weil das Personal fehlt. Dieses Problem scheint hausgemacht. Ein Spielplatz der darunter leidet, ist beispielsweise der an der Schachtstraße am Karo. 

Wir GRÜNE halten eine andere Prioritätensetzung für erforderlich. Insgesamt 34 Mio. EUR sind für die Haldenwelt im Haushalt eingeplant. Bereits im letzten Jahr wurden die Ausgaben auf unseren Vorschlag mit einem Sperrvermerk belegt. Erst sollte geklärt werden, wer die 100 ha Haldenwelt, die zur Zeit noch im Eigentum des Regionalverbands sind, zukünftig bewirtschaftet. Erst sollte geklärt werden, welche Folgekosten für die Stadt entstehen.

Wir wollen vorsorgen, dass die Haldenwelt nicht irgendwann verfällt wie andere Grünflächen im Stadtgebiet, weil der Vandalismus zu groß und die Unterhaltung nicht leistbar ist. Vor dem Hintergrund des enormen Haushaltsdefizits haben wir GRÜNE vorgeschlagen, auf die IGA zu verzichten. Diesen Vorschlag wollte die Mehrheit des Rates nicht mitgehen. Immerhin hat sie unseren Sperrvermerk auch für das kommende Jahr verlängert.


„In Zeiten des Klimanotstands ist ein Autobahnneubau völlig aus der Zeit gefallen.“

– Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender

Zur Autobahn ist unsere grüne Haltung bekannt. In Zeiten des Klimanotstands ist ein Autobahnneubau völlig aus der Zeit gefallen. Und immer noch reden Mitglieder des Rates von einer Planbeschleunigung, ohne erklären zu können, was da überhaupt beschleunigt werden soll. Sie verleugnen auch die Realität des Berliner Haushaltslochs von 60 Milliarden EUR. Im Bund sieht es doch ähnlich aus, wie bei uns in Gladbeck: Autobahnen und Schienen sind sanierungsbedürftig. Einer Autobahnbrücke nach der nächsten droht die Sperrung. Wer – glauben Sie – wird da die Priorität auf einen Tunnel in Gladbeck legen? 

Allein die Trasse 99 kostet die Stadt in den kommenden Jahren 13 Mio. EUR. Hinzu kommen eingeplante Grunderwerbskosten von 6 Mio. EUR. Sind diese Ausgaben dringlich? Wir meinen Nein! Es gibt keinen Grund, warum diese Ausgaben nicht bis 2028 geschoben werden. Warum warten wir nicht den Planfeststellungsbeschluss für die Autobahn ab und haben damit Verlässlichkeit?

Ähnlich abenteuerlich verhält es sich mit der Großen Steinhalde. Ob die Butendorfer ahnen, was Sie hier vorhaben? Eine begrünte Halde, auf der sich über Jahrzehnte weitestgehend unbeeinflusst Gehölz- und Grünstrukturen entwickelt haben, soll abgerissen werden. Bisher schützt die Halde die Butendorfer vor dem Lärm der B224. Wenn sie bis 2025 beseitigt wird, gibt es noch keinen Tunnel. Über den Lärm werden sich die Anwohner südlich der Bergmannstraße sicher nicht freuen. 

21 Mio. EUR sollen in 2 Jahren umgesetzt werden, um dem Zeitplan des EU-Förderprogramms gerecht zu werden. Mit welchem Personal? Halten Sie das für leistbar? Wir GRÜNE haben da unsere Zweifel! Und bei den Überraschungen, die die Halde noch bereit hält, wird es bei den 21 Mio. EUR mit Sicherheit nicht bleiben. Risiken, die wir GRÜNE vermeiden wollen. Personal und Finanzen, die wir anders einsetzen wollen. Auch hier hat die Ratsmehrheit leider anders entschieden.


„Die SPD betreibt homöopathische Sicherheitspolitik!“

– Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender

Bei der Stellenplanung lassen sich Verwaltung und SPD scheinbar inzwischen von Gefühlen leiten. Nicht die Sicherheit, sondern das SicherheitsGEFÜHL der Bürgerschaft soll durch zwei weitere KOD-Stellen verbessert werden. Sie, liebe Genossinnen und Genossen, schreiben in Ihren Haushaltsanträgen: „Der KOD stärkt das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger und trägt damit zu einem positiven Erscheinungsbild der Stadt Gladbeck bei.“ Sie sprechen hier von Gefühlen, weil Sie ganz genau wissen, dass die Kriminalitätsstatistik in Gladbeck nicht auffällig ist. Sie betreiben homöopathische Sicherheitspolitik. Stattdessen sollten wir auch hier die Einhaltung des Konnexitätsprinzips einfordern. Aufgaben des Landes dürfen nicht auf die Stadt verlagert werden. Sicherheit ist Aufgabe der Polizei. Das Land muss dieser Aufgabe gerecht werden. Es ist doch absurd, auf städtischer Ebene eine Ersatzpolizei aufzubauen. 

Die Aufstockung des KOD kostet 133.000 EUR pro Jahr. Dringlich ist sie nicht und vor dem Hintergrund des Haushaltsdefizits ist sie nicht zu verantworten. Wir hatten deshalb schon bei den letzten Haushaltsberatungen angekündigt, dass wir einem Stellenplan mit weiteren Aufstockungen des KOD nicht zustimmen werden.

Natürlich gibt es auch positive Weichenstellungen und Entwicklungen. Gemeinsam mit der SPD und der FDP haben wir gerade erst das „Schulausbauprogramm 2.0“ auf dem Weg gebracht, mit dem wir die erfolgreiche Modernisierung unserer Schullandschaft fortsetzen. Wir haben mit der Entscheidung für einen Architektenwettbewerb die Planungen für die Erweiterung des Riesener Gymnasiums vorbereitet. Am Linnerott haben wir Grundstücke für eine notwendige weitere Grundschule gesichert. 

Das sind aus unserer Sicht die richtigen Prioritätensetzungen für den Einsatz von Personal und Finanzen. Das entspricht aus unserer Sicht den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger.


„Die zentrale Unterbringungseinrichtung am Festplatz ist ein guter Schritt.“

– Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender

Dankbar sind wir Ihnen, Frau Bürgermeisterin, auch für die gute Lösung, die gemeinsam mit dem Land zur Aufnahme von Geflüchteten gefunden wurde. Die Zentrale Unterbringungseinrichtung am Festplatz ist ein guter Schritt. 

Meine Ratskollegin Ramona Karatas hat sich in vielen Telefonaten und Videokonferenzen mit unserer Ministerin und weiteren Stellen des Landes dafür eingesetzt, dass die damaligen Fronten bei der van-der-Valk-Planung durch Gespräche aufgelöst werden. Es freut uns, dass dies mit Ihrem Engagement, Frau Bürgermeisterin, nun geklappt hat. 

Das Land rechnet die Plätze der ZUE inzwischen 1:1 bei den kommunalen Aufnahmeverpflichtungen an. Dadurch entsteht eine spürbare, finanzielle Entlastung. Zusätzlich werden Schulen, Kindergärten, der Wohnungsmarkt und das Gesundheitswesen entlastet, weil diese Leistungen in den ZUEn vom Land übernommen werden. Wir sagen Ihnen, Frau Bürgermeisterin, und der Verwaltung deshalb gerne unsere Unterstützung zu, über die 300 Plätze hinaus, dem Land weitere Angebote für Notunterkünfte oder ZUEn in Gladbeck zu machen. Damit werden wir unserem Anspruch als sicherer Hafen gerecht und tragen zur Konsolidierung des Haushalts bei.


„Jeder Gladbecker Bürger – egal ob erst 1 Jahr alt oder 66 – trägt eine kommunale Schuldenlast von rund 2.800 Euro!“

– Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender

Diese Einsparmöglichkeiten müssen wir gerade bei einem nicht ausgeglichenen Haushalt nutzen. Jeder Gladbecker Bürger – egal, ob erst 1 Jahr alt oder schon 66 – trägt eine kommunale Schuldenlast von rd. 2.800 EUR. Im kommenden Jahr müssen wir 7,7 Mio. Euro allein für Zinsen bezahlen. Ab 2026 kommen die Lasten hinzu, die wir durch die Isolierung von Corona- und Ukraine-Schäden aufgehäuft haben. Bis 2075 werden wir jedes Jahr 0,7 Mio. EUR abzahlen müssen. Wenn die letzte Rate, die Ergebnis unseres Handelns ist, bezahlt wird, darf ich meinen 104. Geburtstag feiern.

„Bedürfnisse der Gegenwart befriedigen, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden!“ Mit der Schuldenlast schränken wir heute schon den Handlungsspielraum unserer Kinder und Enkel ein! Meine Fraktion hat Vorschläge gemacht, Projekte auf den Prüfstand zu stellen, Projekte zu stoppen, den Haushalt zu entlasten. Diese Vorschläge fanden keine Mehrheit. Weil wir trotz des Defizits von knapp 17 Mio. EUR keinen Kurswechsel erkennen können, weil wir meinen, es werden falsche Prioritäten beim Einsatz von Personal und Geld gesetzt, findet der vorliegende Haushalt nicht unsere Zustimmung.

Vielen Dank.