Die Ratsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich gegen die Einführung einer Bezahlkarte für Schutzsuchende in Gladbeck ein. Mit einem Antrag vom vergangenen Sonntag fordert die Fraktion, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Ausschusses für Senioren, Soziales und Gesundheit zu setzen. Ziel ist es, eine klare Position gegen die Bezahlkarte zu formulieren und die Stadtverwaltung aufzufordern, von der sogenannten Opt-Out-Regelung Gebrauch zu machen.
Worum geht es?
Die Landesregierung plant die flächendeckende Einführung einer Bezahlkarte für Schutzsuchende. Die Karte, die als Guthabenkarte mit VISA-Funktion ausgegeben wird, soll den Bargeldbezug auf monatlich 50 € begrenzen und Auslandsüberweisungen sowie bestimmte Zahlungen untersagen. Dies führt zu praktischen Einschränkungen, da nicht alle Geschäfte VISA akzeptieren, und schafft neue Hürden für die Betroffenen.
Mehr Bürokratie statt Entlastung
Die GRÜNEN verweisen darauf, dass die Einführung der Bezahlkarte mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wäre. Die Schaffung einer technischen Infrastruktur, die Verwaltung von Verlust- und Defektfällen sowie die Prüfung von Überweisungszielen würden personelle und zeitliche Ressourcen binden. Gerichtsurteile in anderen Bundesländern zeigen zudem, dass eine pauschale Begrenzung des Barbetrags rechtswidrig ist und zusätzliche Einzelfallprüfungen notwendig wären.
In Gladbeck gibt es bereits funktionierende Strukturen: Schutzsuchende erhalten ihre Leistungen über reguläre Basiskonten bei der Stadtsparkasse. Die Verwaltung hat bislang keine Probleme mit diesem Verfahren signalisiert. Eine Bezahlkarte würde daher nicht zur Entlastung beitragen, sondern durch Doppelstrukturen neue Herausforderungen schaffen.
„Die Bezahlkarte schafft neue Hürden statt Lösungen. Schutzsuchende brauchen keine Bevormundung, sondern eine faire Chance auf Integration.“
– Nicole Uschmann, sachk. Bürgerin
Aktuell beziehen in Gladbeck 355 Asylbewerber:innen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG), darunter 113 Kinder und Jugendliche sowie 242 Erwachsene (Stand: 27.01.2025). Angesichts dieser vergleichsweise geringen Anzahl an Leistungsbeziehern steht der enorme Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zu dem angeblichen Nutzen. Nicole Uschmann, sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Senioren, Soziales und Gesundheit, betont: „Die Bezahlkarte schafft neue Hürden statt Lösungen. Schutzsuchende brauchen keine Bevormundung, sondern eine faire Chance auf Integration. Die bestehenden Abläufe in Gladbeck funktionieren – es gibt keinen Grund, diese durch eine unausgereifte Maßnahme zu ersetzen.“
Ungeeignet zur Zielerreichung
Wissenschaftliche Studien widerlegen, dass soziale Leistungen als „Pull-Faktor“ für Fluchtbewegungen dienen. Die Einführung der Bezahlkarte trägt nicht zur Bekämpfung illegaler Migration bei und wirkt lediglich als migrationspolitisches Symbol. Laut Aussage des Bundesfinanzministeriums aus dem letzten Jahr liegen keine belastbaren Daten zu entsprechenden Auslandsüberweisungen vor. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft stellt zudem klar, dass die Höhe der Leistungen keinen wesentlichen Anreiz für Migration darstellt.
Aktuelle Studien zeigen, dass die Annahme, Geflüchtete würden in großem Umfang Geld ins Ausland überweisen, empirisch nicht belegt ist. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2024 senden nur sieben Prozent der Geflüchteten Geld ins Ausland – eine Tendenz, die seit 2012 von 13 auf sieben Prozent gesunken ist. Im Vergleich dazu überweisen zwölf Prozent der Migrant:innen ohne Fluchthintergrund Geld ins Ausland. Die Einführung einer Bezahlkarte unter dem Vorwand, sie diene der Verhinderung von Auslandsüberweisungen, ist daher nicht gerechtfertigt. Vielmehr sollte die Rolle von Auslandsüberweisungen als wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung und Unterstützung der Entwicklung in den Herkunftsländern neu bewertet werden.
Wenn laut DIW-Bericht 7 % der Geflüchteten Geld ins Ausland überweisen, wären das in Gladbeck 18 Personen. Zieht man die Frauen ab, da sie laut Bericht kaum überweisen, verbleiben 166 Männer, wovon nur 12 Personen tatsächlich Überweisungen tätigen würden. Für eine solch geringe Zahl von Menschen wird ein enormer Verwaltungsaufwand betrieben.
Diskriminierung und Einschränkung der Freiheit
Die Bezahlkarte würde Schutzsuchende in ihrer persönlichen Handlungsfreiheit einschränken. Sie verhindert beispielsweise Zahlungen für grundlegende Bedarfe wie einen Rechtsbeistand. Ebenso ist der Erwerb eines Deutschlandtickets nicht ohne weiteres möglich, was die Mobilität und damit die gesellschaftliche Teilhabe einschränkt. Insbesondere die Möglichkeit, den Einsatz der Karte regional zu begrenzen, stellt einen Eingriff in die Würde und Freiheit der Betroffenen dar.
Kritik an der Bezahlkarte kommt aus vielen gesellschaftlichen Bereichen: Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften, Kirchen und Menschenrechtsorganisationen warnen vor der Stigmatisierung und Ausgrenzung von Schutzsuchenden. Statt Integration zu fördern, würde die Bezahlkarte bestehende Barrieren verstärken und die Betroffenen zu Menschen zweiter Klasse degradieren.
„Das ist reine Symbolpolitik auf dem Rücken der Schutzsuchenden!“
– Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender
Bernd Lehmann, Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN in Gladbeck, erklärt: „Die Bezahlkarte ist ein integrationshemmendes Symbol, das Schutzsuchende ausgrenzt und in ihrer Freiheit einschränkt. Wir setzen uns dafür ein, dass Gladbeck sich gegen diese unnötige und diskriminierende Maßnahme stellt und sich damit den vielen Kommunen in NRW anschließt, die ebenfalls Nein zur Bezahlkarte sagen. Das ist reine Symbolpolitik auf dem Rücken der Schutzsuchenden! Ziel muss sein, dass wir unserem humanitären Anspruch gerecht werden und die Menschen, soweit sie einen Asylanspruch haben, in unsere Stadtgesellschaft bestmöglich integrieren – ohne Vorbehalte.“
Forderung an die Stadtverwaltung
Mit ihrem Antrag fordern die GRÜNEN den Ausschuss auf, festzustellen, dass eine Bezahlkarte in Gladbeck nicht notwendig ist. Die Stadt soll die Opt-Out-Regelung nutzen und alle notwendigen Schritte einleiten, um die Einführung der Bezahlkarte zu verhindern. Damit setzt die Fraktion ein klares Zeichen für eine pragmatische, integrationsfördernde Sozialpolitik und gegen eine unnötige und diskriminierende Maßnahme.
Weitere Informationen:
Vorlagen für den Ausschuss für Senioren, Soziales und Gesundheit am 18.03.2025
Unser Antrag „Keine Einführung der Bezahlkarte für Schutzsuchende in Gladbeck“ vom 23.02.2025